WiWi-News Detail

"Wenn Sie als Solo Unternehmer_in nicht im Flow sind, merken dies die Kund_innen sofort": Interview mit Günther Singer

Im Interview spricht Prof. Dr. Günther Singer, Faculty Member des General Management MBA, über aktuelle Herausforderungen für (Interim) Manager_innen, Karriereplanung und das notwendige Skill-Set für den Schritt in die Selbstständigkeit.

1 - Sie unterstützen Menschen in Phasen der Karriere-Veränderung. Welche Manager_innen würden Sie den Schritt vom Angestelltenverhältnis zur Selbstständigkeit empfehlen? Welches Skill-Set ist notwendig?

Mit "It depends…" beginnt oft die Antwort von Alumni nach einem gelungen MBA Studienabschluss. So ist es auch hier der Fall. Im Marketing lernt man ja zuerst auf die Kundschaft bzw. den Markt zu schauen und ausgehend von Opportunitäten, Geschäftsmodelle zu entwickeln und diese umzusetzen. Dies ist ein wirkungsvolles Misserfolgsrezept, wenn jemand sich als Unternehmer_in selbständig machen will. Der erste Schritt ist die Beantwortung der Frage "Was will ich wirklich?". In anderen Worten "Wo steckt längerfristig meine persönliche Energie?". Hier fließen persönliche, private und berufliche Aspekte ein. Ohne klare Antworten wird es an Sinnhaftigkeit und Kraft fehlen. Der zweite Schritt ist, sich Klarheit über die eigenen Skills, Erfahrungen und Ressourcen zu verschaffen. In der dritten Phase kommt dann das Marketing zur Entwicklung eines persönlichen Geschäftsmodells ins Spiel. Der Einkauf in ein bestehendes Unternehmen, die Gründung eines Unternehmens mit Investoren, oder sich als Solo bzw. Einzelunternehmer_in (z.B. Interim Manager_in) selbständig zu machen, sind Optionen.

Neben relevanten Fach-Skills in einer oder mehreren Fachdisziplinen finden sich jene Skills, die zur Bewältigung der dominanten Trends wie verstärkte IT-Technologisierung, Globalisierung und abrupter Wandel wichtig sind.

2 - Vor welchen Herausforderungen stehen Interim Manager_innen aktuell? Welchen Einfluss hat die Corona-Krise auf dieses Berufsfeld?

Der Markt der Interim Manager_innen ist ein Wachstumsmarkt. Auch während der Corona Krise gibt es einige Segmente, die florieren. Zu diesen gehören Projekte zur unmittelbaren Sicherung von Liquidität, Senkung von Fixkosten, Logistik und Supply Chain, Re-Strukturierungen, sowie Insolvenzbegleitungen. In anderen Segmenten ist die Nachfrage sehr schwach. Nice to have Projekte sind gestrichen. Am 29. Oktober 2020 fand die 2. Virtuelle Fachtagung für Interim Management statt. "So hat Corona unseren Markt verändert | Mitschnitt der Diskussionsrunde" ermöglicht einen vertieften Einblick in die Marktsituation (UNITEDINTERIM via YouTube https://youtu.be/PP9MFwTyhBk)

Prognosen für "Post-Corona" sind zwar mit Vorsicht zu genießen, doch aller Wahrscheinlichkeit nach wird sich der Trend zur Schrumpfung des Kernpersonals weiter fortsetzen. Man bedient sich also vermehrt externer Spezialist_innen mit zeitlich befristeten Kontrakten.

3 - Worauf sollten Interim Manager_innen bei der Karriereplanung besonders achten?

Es geht hier um nachhaltige Energie, Kraft und Gesundheit. Wenn jemand als Angestellte_r nicht "brennt", was übrigens typischerweise 80% der Angestellten nicht tun (Nach Gallup Studien sind in OECD Ländern etwa 80% der Mitarbeiter_innen "Actively Disengaged" oder "Not Engaged"), führt das nicht zu Jobverlust. Wenn Sie als Solo Unternehmer_in nicht im Flow sind, merken dies die Kund_innen sofort, was möglicherweise schon unmittelbare Auswirkungen auf den laufenden Vertrag hat. Sie werden ja nicht geholt, um mitzuarbeiten, sondern um Resultate zu erzielen.

4 - Werfen wir noch einen Blick in die Zukunft: Welche Trends und Entwicklungen sind für Interim Manager_innen relevant?

Wir leben in einer VUCA Welt. Der Begriff VUCA ist ein Akronym, das vom U.S. Army War College in den 1990er Jahren kreiert wurde. Volatility, Uncertaintity, Complexity und Ambiguity (Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität) beschreiben das erste Quartal des 21. Jahrhunderts ganz treffend. Zurzeit erleben wir durch die COVID-Krise ein globales Großereignis dieser Kategorie. Wir hoffen alle, dass es bald vorüber ist und minimale Langzeitschäden hinterlässt. Mit Sicherheit fungiert dieses VUCA-Ereignis jedoch auch als positiver Trigger für neue Geschäftsmodelle und Arbeitsformen; zumindest ist die Krise ein Stresstest.

In anderen Worten wir wissen nicht, was kommt. Verstärkte IT-Technologisierung, Globalisierung und Regionalisierung, eine alternde Gesellschaft und das Ende der Langzeitarbeitsverhältnisse können aber als sicher angenommen werden. Für eine vertiefte Betrachtung des Themas mit Opportunitäten für Interim Manager_innen verweise ich auf das erste Kapitel des "Karriere-Handbuch für Interim Manager" welches ich gemeinsam mit meinen Kollegen Jürgen Becker und Harald Schönfeld publiziert habe.

5 - Im General Management MBA unterrichten Sie das Modul "Human Ressource Management" - Auf welche Themen gehen Sie hier besonders ein?

Das Human Resource Management (HR) von mittleren und großen Unternehmungen wird aus der Sicht von Eigentümer_innen, Top- und Mittelmanagement und der individuellen Mitarbeiterperspektive beleuchtet. Es werden provokante Ansätze diskutiert, die wenig mit der klassischen Personalwirtschaft gemein haben. Wir durchlaufen die Prozesse von Mitarbeitersuche und Auswahl, Personalentwicklung und Trennung. Von besonderem Interesse ist meist die Beantwortung der Fragen "Was kann ich wie und womit verdienen?" oder aus Sicht der Unternehmung "Wie gestaltet man ein attraktives Kompensationssystem?".

Die Gestaltung der eigenen Karriere im Kontext einer VUCA Welt ist eines der Kernthemen. Hierzu gibt es anwendungsorientierte Aufgabenstellungen zur Analyse der eigenen Persönlichkeit und Skills und einem Karriereentwurf.

Innovative und veränderungsfähige Unternehmen sind ohne eine passende Unternehmenskultur, die Talente anzieht und diese in die Kraft setzt, nicht möglich. Ein strategisch orientiertes und nachhaltig operierendes Human Ressource Management ist unverzichtbar.
Teile diese WiWi-News:

Weitere relevante WiWi-News: