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Die Muße ist zurück: Ist Nichtstun wieder „in“?Start der Mainzer Hochschulgespräche

35 Führungskräfte namhafter Unternehmen treffen sich an einer Hochschule, um sich mit dem Thema „Muße – Gründe für absichtsloses Nichtstun“ auseinanderzusetzen. Könnte der Beginn eines Märchens sein, glauben Sie vielleicht? Weit gefehlt,denn es passierte tatsächlich: Genau unter diesem Motto standen die ersten Mainzer Hochschulgespräche am Hochschulzentrum für Weiterbildung HZW der Hochschule Mainz.

Der Wirtschaftswissenschaftler Dr. Norbert Rohleder, Professor für Human Resources Management und soziale Interaktion an der Hochschule Mainz, stellte den Entscheidungsträgern aus der Rhein-Main-Region die Ergebnisse seiner wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Thema „Muße“ vor. Warum brauchen wir wieder mehr Muße, ist eine seiner zentralen Fragestellungen.

Rohleder liefert zahlreiche, empirisch abgesicherte Fakten zur Arbeitsbelastung deutscher Arbeitnehmer: Über ein Drittel der Erwerbstätigen in Deutschland leisten regelmäßig Überstunden, fast 9 Millionen Arbeitnehmer kämpfen mit häufigem oder ständigem Leiden an Erschöpfung (das entspricht in etwa der Einwohnerzahl der Schweiz!).
Manager hetzen Terminen hinterher und vermengen Arbeit mit Freizeit. Die Folgen liegen auf der Hand: Fehltage aufgrund psychischer Erkrankungen verdoppelten sich im Zeitraum zwischen 2000 und 2013 nahezu, so der Mainzer Forscher.

Was ist zu tun? Rohleder hält ein Loblied auf die Muße, die früher als selbstverständlich galt. „Muße bedeutet, Zeit zu haben, über die man selbst Herr ist, die keinem äußeren Zweck dient“ - so einfach und doch so schwer sei es. Der Mainzer Wissenschaftler gibt seinem Publikum vier Tipps an die Hand.

1. Schritt: Richten Sie Ihren inneren Kompass aus!
2. Schritt: Werden Sie konkret!
3. Schritt: Schützen Sie Ihr Gehirn vor Überladung!
4. Schritt: Nichtstun - tun Sie es!

Die Runde der Manager diskutierte die Empfehlungen Rohleders munter unter der Leitung von Professor Dr. Kurt W. Koeder, akademischer Leiter am Hochschulzentrum für Weiterbildung an der Mainzer Hochschule. „Bei aller Berechtigung für die Muße, Sie können einem Kunden schlecht sagen: Sorry, ich bin gerade beim absichtslosen Nichtstun“, so ein Einwand. Führungskräfte sind hier – wieder einmal – als Vorbilder gefordert. Sicherlich sei jeder einzelne Beschäftigte auch selbst verantwortlich.

Allerdings sei es auch an der Führungskraft, dem Mitarbeiter Denkanstöße zu geben: „Was brauche ich konkret, damit ich meine Arbeitsaufgaben gut erfüllen kann?“ Es gehe darum, die Beschäftigten zu unterstützen und gleichzeitig auch den notwendigen unternehmerischen Sachzwängen Rechnung zu tragen. „Keine einfache, aber eine lösbare Aufgabe“, so Rohleder. Im Ergebnis könne dies für den einen Mitarbeiter auch mal der 10 Stunden-Tag mit Arbeit am Abend sein, weil er dann einfach am produktivsten sei. Für seinen Kollegen bedeute es vielleicht, an einem bestimmten Tag das Büro bereits um 15 Uhr zu verlassen, um sich der Familie widmen zu können. Zwei Fallbeispiele von vielen, die klarmachen: Muße erfordert eine individuelle Betrachtung, keine Pauschallösung für alle. Das Abschlussplädoyer der Manager: „Wir können nur empfehlen, die Ausführungen von Professor Rohleder in der Praxis zu nutzen und zu überlegen, wie jeder Betrieb Lösungen hierfür finden kann, die den Mitarbeitern und dem Unternehmen gerecht werden.

Ein toller Auftrag an alle Anwesenden. So kann aus einem Märchen dann doch noch Wahrheit werden!

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